Die Debatte über die Arbeitszeitverkürzung, die gerade in der Via Emilia ihre Wellen schlägt, involviert nun den Geschäftsführer von Renner Italia, Lindo Aldrovandi. Marco Bettazzi hat ihn für die Zeitung „La Repubblica“ interviewt. „Wenn jemand gerne arbeiten geht, arbeitet er auch besser.“
„Ja zur Viereinhalb-Tage-Woche, nach und nach
Und wir werden vierzig neue Personen einstellen“
So erklärt Lindo Aldrovandi, Geschäftsführer von Renner Italia, dem Unternehmen aus Minerbio, das mit 370 Angestellten Beschichtungen herstellt, die Gründe, die ihn dazu motivieren, nach und nach die Viereinhalb-Tage-Woche einzuführen. Im Laufe von zwei Jahren möchte er den Freitagnachmittag streichen.
Wie sieht Ihr Modell der Viereinhalb-Tage-Woche aus?
„Unser Unternehmen ist sehr besonders, bei uns muss es wie eine Familie sein. Wenn Sie dafür sorgen, dass es den Menschen bei Ihnen gut geht, erhalten Sie natürlich bessere Ergebnisse. Unsere Gehälter sind bereits die höchsten in der Branche, und wir haben schon 2012 damit begonnen, 15% unseres Gewinns zu verteilen. Darin waren wir Vorreiter. Über die „Kurze Woche“ haben wir bereits vor Luxottica oder Lamborghini nachgedacht, die jetzt damit begonnen haben. Wir werden sie im Laufe von zwei Jahren nach und nach erreichen. Wir werden mit einem Freitagnachmittag pro Monat beginnen. Nach einem halben Jahr werden es zwei sein und nach einem weiteren halben Jahr drei. Am Ende sind alle Freitagnachmittage im Monat frei. Wenn wir von 47 Arbeitswochen pro Jahr ausgehen, Urlaube ausgenommen, hat somit jede Arbeiterin und jeder Arbeiter pro Jahr 23 Tage mehr frei.“
Wann geht‘s los?
„Wir benötigen etwas Zeit, um uns zu organisieren und auch, um das Personal einzustellen, das wir suchen. Aber ich würde sagen, zwischen Mai und Juni starten wir mit dem ersten halben freien Tag im Monat.“
Bei gleichem Gehalt.
„Natürlich. Bei uns erhalten Arbeiter etwa 1.450 Euro Grundgehalt netto, aber wir zahlen 14 Monatsgehälter aus, nicht nur 13, wie der Tarifvertrag für die Chemie vorsieht. Außerdem steigt das Gehalt je nach Betriebszugehörigkeit, Spezialisierungen und so weiter. Dazu kommt die Produktionsprämie, die auch dieses Jahr bei 1.700 Euro liegen wird. Darin sind sowohl die wirtschaftliche Entwicklung als auch die Senkung der Abfälle, die wir aufgrund der guten Geschäftspraktiken erzielen konnten, berücksichtigt. Wenn wir alle Prämien der vergangenen 13 Jahre zusammenzählen, ergibt das etwa 30.000 Euro pro Person.“
Was motiviert Sie dazu, mit der Viereinhalb-Tage-Woche zu beginnen?
„Wenn es den Angestellten gut geht und sie zufrieden sind, macht es Ihnen mehr Freude, zu arbeiten, und die Ergebnisse sind besser. Wir stehen erst am Anfang, aber ich glaube, dass ein
halber Tag mehr zu Hause sowohl für diejenigen nützlich sein kann, die ans Meer fahren möchten, als auch für diejenigen, die einfach einen Nachmittag mehr brauchen, um mehr Zeit mit ihrer Familie zu verbringen.“
Einige Ihrer Unternehmerkollegen sind nicht glücklich mit solchen Experimenten. Sie argumentieren, dass nicht jeder sich so etwas erlauben kann.
„Es ist klar, dass sich nicht alle Firmen so etwas erlauben können. Das kann man machen, wenn man ein gesundes Unternehmen hat. Aber es fällt mir schwer, diejenigen zu kritisieren, die keine verkürzte Arbeitszeit umsetzen wollen, weil das auch davon abhängt, wie die interne Organisation aussieht.“
Und was kostet Sie das? Wird das nicht die Produktionskapazitäten senken?
„Unsere Kosten belaufen sich auf etwa 23 bis 24 Millionen pro Jahr, bei fünf vollen Arbeitstagen betrifft das einen halben Tag. Die Produktion wird aber nicht gedrosselt, denn wir werden effizienter und stellen neues Personal ein. Außerdem besteht für diejenigen, die das möchten, immer noch die Möglichkeit, die wir schon immer zugelassen haben: samstags zu arbeiten. Schon jetzt können die Menschen dadurch bis zu 220 bzw. 230 Euro mehr nach Hause bringen; das wird beibehalten. Und wir werden nichts am bezahlten Urlaub ändern – die Viereinhalb-Tage-Woche ist etwas, das hinzugefügt wird, nicht etwas, durch das etwas anderes wegfällt.“
Ist das nicht ein Widerspruch in sich, wenn man den Freitagnachmittag frei gibt und dafür am Samstag arbeiten lässt?
„Das war schon immer so: Am Samstag arbeiten nur diejenigen, die das wollen. Und das war schon immer sehr gefragt, weil es den Arbeitern erlaubt, ihren Lohn aufzubessern.“
Sie haben gesagt, dass Sie neues Personal einstellen. Wie viele Personen suchen Sie?
„Wir werden 40 Produktionsarbeiterinnen oder -arbeiter einstellen. Und es ist keine Kleinigkeit, sie zu finden. Daher werden wir auch eine Werbekampagne starten und eine E-Mail angeben, ilmiofuturo@renneritalia.com, um Bewerbungen zu sammeln. Aber wir suchen nicht nur deshalb neue Leute, weil wir den Freitagnachmittag weglassen, sondern, weil wir planen, neue Branchen zu erschließen. Dieses Jahr werden wir dafür 4,5 Millionen investieren. In den zwanzig Jahren unserer Firmengeschichte haben wir bereits mehr als 80 Millionen investiert.“
Wie läuft es vom wirtschaftlichen Standpunkt aus?
„Vergangenes Jahr haben wir 182 Millionen Umsatz erreicht, dieses Jahr dürften wir nur geringfügig niedriger liegen, weil es die Sanktionen gegen Russland gab. Generell sind im Moment alle vorsichtiger, auch weil es keinen Superbonus [ein Programm der Republik Italien für Steuerrückerstattung von 110 Prozent für energetische Sanierung] mehr gibt, der eine Spekulationsblase im Baugewerbe ausgelöst hat. Aber sobald du deine Fenster in Ordnung gebracht hast, gibst du erstmal wieder eine Zeit lang Ruhe. Doch wir erschließen uns gerade neue Märkte, wie die Beschichtung von Parfüms und Verschlüssen, die Lacke ähnlich den unseren verwenden, mit denselben Rohstoffen. Auch dadurch, durch die Erschließung neuer Nischenmärkte, erwarten wir, dass unser Umsatz nächstes Jahr um etwa 10% steigen wird.“